Kinder- und Jugendpsychiatrische Versorgung im Bereich Mental Health Rehabilitation in Österreich

Rehabilitation schließt nach der allgemeinen Definition der Weltgesundheitsorganisation alle jene Maßnahmen ein, die darauf ausgerichtet sind, das Ausmaß von Einschränkung der Aktivitäten und Partizipation zu verringern, um eine gute soziale Integration zu erreichen. Rehabilitation zielt also nicht nur darauf ab, beeinträchtigte oder behinderte Personen zu unterstützen in ihrer Umgebung zurecht zu kommen, sondern auch Umgebungsfaktoren und die Gesellschaft so zu beeinflussen, dass deren soziale Integration erleichtert wird. Nach der ICF (Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit [1]) stellt Rehabilitation das personenbezogene multi- und interdisziplinäre Management von Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit dar. Psychiatrische Rehabilitation im engeren Sinn umfasst alle jene Maßnahmen, die einen seelisch kranken Menschen über die Akutbehandlung hinaus durch umfassende Maßnahmen auf medizinisch, schulisch, beruflich und allgemeinen sozialem Gebiet in die Lage versetzen, seine Lebensform und Stellung, die ihm entspricht, zu finden bzw. wiederzuerlangen [2].

Nach einer anderen Definition [3] ist psychiatrische Rehabilitation die systematische Anwendung von Interventionen, die entwickelt wurden um Schädigungen (Impairment), Funktionseinschränkungen (Disabilities) und soziale Beeinträchtigung (Handicap) zu reduzieren. Das Ziel psychiatrischer Rehabilitation ist es daher sicherzustellen, dass Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen die körperlichen, emotionalen und intellektuellen Fähigkeiten entwickeln können, um in ihrer Gemeinschaft zu leben, zu lernen und zu arbeiten. In der Definition der Deutschen Gesellschaft für Kinder- + Jugendpsychiatrie und Psychotherapie [4] wird Kinder- + Jugendpsychiatrische Rehabilitation als Psychosoziale Rehabilitation bezeichnet und damit eine inhaltlich etwas weitere Definition vorgenommen, die somit psychosomatische und sozialpädiatrische Problemfelder ebenfalls mit einschließt. Unter Psychosozialer Rehabilitation definiert die Leitlinie einerseits Hilfe zur Krankheitsverarbeitung und Bewältigung von Behinderung und andrerseits die Förderung der sozialen Kompetenz, der Reduktion krankheitsbedingter Handicaps, der Teilnahme am altersentsprechenden sozialen Leben inkl. Arbeit und Schule sowie der Verwirklichung des Rechtes auf ein selbstbestimmtes Leben. Rehabilitation soll nicht mehr die Herstellung bestmöglicher Gesundheit, sondern die Gewährleistung einer weitgehend normalen Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zum Ziel haben [5].

Für die Kinder- + Jugendpsychiatrie in Österreich ist die Rehabilitation Bestandteil der Definition des Fachgebietes und damit auch fixer Bestandteil der Ausbildung auf diesem Fachgebiet [6, 7]. In der Leistungsorientierten Krankenhausfinanzierung (LKF) gab es unter der Kategorie Kinder- und Jugendpsychiatrie ein eigenes Leistungs- und Strukturqualitätsschema für rehabilitative Behandlung (KJNP‑R, MEL 7501) im Rahmen der Spitalsbehandlung und das somit die Phase Akut-Rehabilitation abdeckte (siehe auch Abb. 2). Durch den Wegfall dieser Kategorie im LKF ist nun keine eigene KJP-Rehabilitation für psychisch kranke Kinder und Jugendliche mehr vorgesehen – im Gegensatz zur Pädiatrie [8, 9]. Nach Vorarbeiten der Gesundheit Österreich (GÖG) mit Expert:innen aus der Pädiatrie und Kinder- und Jugendpsychiatrie [9] wurde im Rehabilitationsplanes 2016 [10] erstmalig eine Rehabilitation im Bereich Mental Health für Kinder und Jugendliche angedacht und mit der Kinder-Gesundheitsstrategie [11] als eigenes Gesundheitsziel (Ziel 18; p. 77) die Umsetzung beschlossen. Die angedachte Bettenmessziffer für Mental Health Rehabilitation für Kinder und Jugendliche zu diesem Zeitpunkt wird mit 110–220 angegeben [8] als eine Kombination aus kinder- und jugendpsychiatrischen und psychosomatisch-sozialpädiatrischen Betten. Die Vergabe erfolgte an private Gesundheitsträger. Die Eröffnung der ersten MH-Kinderreha erfolgte im März 2018 in Wildbad Einöd. Seither wurden noch 2 weitere Einrichtungen eröffnet, in Rohrbach/OÖ und Bad Erlach/NÖ; die Einrichtung in Wiesing/Tirol ist im Bau und soll im Herbst 2022 eröffnet werden.

Definition der Versorgungsebene

Rehabilitation in der KJP hat zwei Versorgungsebenen, einmal in der Nachsorge einer Akutbehandlung im Krankenhaus und andrerseits im engeren Sinne der Rehabilitation, einer ambulanten und stationären Nachbehandlung oder tertiären oder quartären Prävention. Nach dem Rehabilitationsplan 2016 [10, p. 16] steht Rehabilitation „in ursächlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der akutmedizinischen Versorgung“. Das heißt, es muss eine – von der Akutmedizin definierte – Rehabilitationsbedürftigkeit und -fähigkeit vorliegen und eine damit verbundene – möglichst positive – Rehabilitationsprognose möglich sein.

Definition des Versorgungsauftrages

Der Versorgungsauftrag [10] umfasst die Wiederherstellung des Gesundheitszustandes des Versicherten und ihrer Angehörigen mit dem Ziel eine „Bestmögliche Wiederherstellung der Gesundheit im Sinne des bio-psycho-sozialen Krankheitsmodells (Restitutio ad Optimum) durch Einsatz eines interdisziplinären Rehabilitationsteams“ zu erreichen. Im Sinne des ICF-Modells [1, 10] sollen dabei „Schädigungen/Funktionsstörungen, Fähigkeitsstörungen und Beeinträchtigungen beseitigt, verbessert oder hintangehalten werden.“

Bedarfsangaben zu Anzahl der beteiligten Berufsgruppen, Personen, geographische Region/Relation zu Bevölkerungszahlen

Im Rehabilitationsplan 2016 [10] wird das Gebiet der Kinder- und Jugendpsychiatrie und der Pädiatrie (i.e. Sinne Entwicklungs- und Sozialpädiatrie, ESP) unter dem Überbegriff Mental Health Rehabilitation zusammengefasst. Prinzipiell wird festgehalten, dass Mental Health Rehabilitation „möglichst wohnortnahe, ambulant oder teilstationär angesiedelt werden soll, um eine möglichst gute Rückbindung an die primären Umgebungsbedingungen und – um das Hauptziel – die Reintegration in Familie, Schule und/oder Arbeitsumfeld – bestmöglich zu gewährleisten“ ([10]; S. 121).

Laut einer nicht veröffentlichen Berechnung aus dem Jahre 2012 (Thun-Hohenstein L., Spiel G. persönliche Mitteilung) wurde anhand einer Umfrage an den österreichischen Abteilungen für KJP, und der Auswertung einer ambulanten und einer stationären Einrichtung der Versuch unternommen, den österreich-weiten Bettenbedarf für eine KJP-Rehabilitation zu erheben. Dabei wurde ein Bedarf von 96–135 Betten errechnet, der den damals, auf Österreich umgerechneten Daten aus der BRD entsprach. Der Hauptverband hat 2016 den Bettenbedarf mit 42 KJP ([10]; S. 157) und für ESP 68 berechnet und somit den 2010 von der Gesundheit Österreich [10] erarbeiteten Plan deutlich unterschritten. Für den Aufbau der Reha-Versorgung wurde Österreich in vier Versorgungszonen aufgeteilt: Versorgungszone Ost: Wien und Niederösterreich, Versorgungszone (VZ) Süd: Kärnten, Steiermark und das Burgenland, Versorgungszone (VZ) Nord: Oberösterreich und Salzburg und Versorgungszone West mit Tirol und Vorarlberg. Die für 2020 zu erreichende Bettenverteilung auf die Versorgungsregionen wurde wie folgt angegeben [9, S. 169]: VZ OST 46, VZ SÜD 24, VZ NORD 24 und VZ WEST 15, gesamt also 109 Plätze.

Strukturqualitätskriterien/Mindeststandards

In Tab. 1 sind die im Rehabilitationsplan 2016 [10] gelisteten Indikationen aus dem ICD-10 und dem DC:0–5 [12] aufgeführt. Ebenfalls wurden entsprechende Kontraindikationen für den Mental Health Bereich formuliert: akute Selbst- oder Fremdgefährdung, akute psychische Störungen und für spezifische Störungsbilder (Essstörungen) für die in der Rehabilitationseinrichtung keine ausreichende Expertise vorgehalten werden kann. Für eine Aufnahme an einer KJP-Rehabilitation muss eine Erkrankung aus dem Kreis der Indikationen vorliegen, eine von der Akutbehandlungseinheit erstellte Rehab-Diagnose und -Prognose sowie die Einwilligung des Versicherungsträgers vorliegen.

Tab. 1 Mental Health-Indikationen laut Rehabilitationsplan 2016 [10]

Das „Medizinisches Leistungsprofil: Struktur‑, Prozess- und Ergebnisqualität in Vertragseinrichtungen für stationäre Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen“ des Hauptverbandes der Sozialversicherungen umfasst eine Mindestbehandlungsmenge von durchschnittlich 150 min Therapie täglich oder bei einem Aufenthalt von geplanten 36 Tagen 3600 min Therapie, die zu 30 % psychologisch-psychotherapeutisch sein sowie 7 ärztliche Visiten beinhalten und ca. 30 % als Einzeltherapie angeboten werden müssen.

In Tab. 2 sind die Personalrichtwerte für die Mental Health Rehabilitation angeführt.

Tab. 2 Personalrichtwerte im Sinne eines Mindest-Anforderungsprofil lt. ÖGK Rehabilitationsplan [10]

Diese Arbeit versucht einen Überblick über die Umsetzung seit 2018 zu geben und anhand von Zahlen und Erfahrungen eine Diskussion über diese Versorgungsmaßnahme anzustoßen.

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