Die OSA hat eine hohe Prävalenz in der Bevölkerung. So sind nach neuen Studien fast eine Milliarde Menschen weltweit davon betroffen [3].
Leitsymptome sind das unregelmäßige Schnarchen und die Tagesschläfrigkeit, die die Lebensqualität der Patienten einschränken [23, 32].
Zur Diagnostik werden Polygraphie (PG) und Polysomnographie (PSG) eingesetzt [22, 42]. Die Erkrankung ist definiert durch den wiederkehrenden teilweisen oder vollständigen Kollaps der oberen Atemwege während des Schlafes, welcher sowohl zu Apnoen als auch Hypopnoen und atmungsanstrengungsbedingten Weckreaktionen (respiratory effort related arousal – RERA) führt, woraus sich der Respiratory Disturbance Index (RDI) errechnet [15]. Da RERA in der PG nicht erfasst werden können, wird zur Schweregradbestimmung auch der Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) herangezogen.
Als Risikofaktoren gelten das männliche Geschlecht, Alter, erhöhter Body-Mass-Index, bestimmte Medikamente, anatomische Begebenheiten, Alkohol und Rauchen [14, 24, 45].
Die Atemwegsüberdrucktherapie, kurz PAP(„positive airway pressure“)-Therapie gilt als Standardtherapie [19, 37]. Darüber hinaus können Unterkieferprotusionsschienen, Rückenlagevermeidung und Körpergewichtsreduktion Therapieoptionen darstellen [11]. Daneben stehen operative Verfahren wie z. B. die Uvulopalatopharyngoplastik, bimaxilläres Advancement oder die Stimulation des N. hypoglossus zur Verfügung [34,35,36, 43].
Die medikamenteninduzierte SchlafvideoendoskopieBei der MISE wird der Patient mittels eines Sedativums in einen schlafähnlichen Zustand versetzt. Dabei können Lokalisation, Muster und Ausprägung von Schnarchen und obstruktiven Apnoen beschrieben werden.
Der Behandlungserfolg mit einer Unterkieferprotusionsschiene und bestimmten chirurgischen Verfahren kann durch die MISE besser als ohne MISE vorhergesagt werden [9, 13, 41].
Aufgrund der Notwendigkeit einer aktuellen PSG ohne jegliche Therapie zur Schweregradbestimmung der OSA findet die MISE häufig am Tag der geplanten Übernachtung im Schlaflabor statt. In diesem Zusammenhang gewannen wir im klinischen Alltag den Eindruck, dass während der PSG in der Nacht nach einer MISE in vielen Fällen weniger respiratorische Ereignisse auftraten, als es anhand der vorhandenen Voruntersuchungen zu erwarten gewesen wäre. Falls dies sich bestätigen würde, müsste dies bei der Planung berücksichtigt werden.
FragestellungUnterscheidet sich die Ausprägung der OSA in der PSG, wenn die MISE am Tag vor oder unabhängig von der PSG durchgeführt wird?
Material und MethodeDas Studienprotokoll wurde der medizinischen Ethikkommission II der Universität Heidelberg, Medizinische Fakultät Mannheim vorgelegt (Antragsnummer 2019-856R) und am 28.08.2019 genehmigt.
Es wurde eine retrospektive Kohortenstudie durchgeführt, bei der eine vorliegende PG oder PSG ohne Therapie (Nacht 1; bei uns oder extern) mit einer bei uns durchgeführten PSG ohne Therapie (Nacht 2) verglichen und als primärer Zielparameter die Veränderung des AHI zwischen Nacht 1 und Nacht 2 untersucht wurde.
In der Studiengruppe (SG) erhielten die Patienten am Tag von Nacht 2 eine MISE, während die Patienten in der Kontrollgruppe (KG) die MISE zu einem anderen Zeitpunkt erhielten.
Zwischen dem 01.01.2017 und dem 20.06.2020 wurden in der Sektion Schlafmedizin der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie des Universitätsklinikums Mannheim insgesamt 813 Patienten mit diagnostizierter OSA gefunden, bei denen eine MISE durchgeführt wurde.
Es wurden 702 Patienten ausgeschlossen (Tab. 1).
Tab. 1 Ein- und AusschlusskriterienDie SG bestand aus 53 und die KG aus 58 Patienten, die bei der Erfassung der Daten in matched pairs gegenübergestellt werden konnten.
Die PSG wurde dabei entsprechend des Manuals der American Academy of Sleep Medicine durchgeführt und ausgewertet. Eine Hypopnoe wurde gewertet, wenn eine Reduktion des Atemflusses um ≥ 30 % für mehr als zehn Sekunden kombiniert mit einer Sauerstoffentsättigung ≥ 3 % und/oder einem Arousal auftrat [4].
Die OSA wurde bei einem AHI von 5–15/h als leichtgradig, von 16–30/h als mittelgradig und ab 31/h als schwergradig eingeteilt, da diese Grenzen leitlinienkonform zur Therapieauswahl herangezogen werden [23].
Die MISE wurde standardisiert durchgeführt [18] mit Midazolam mittels Bolusinjektionen oder Propofol mittels target controlled infusion. Die MISE dauerte 16,8 ± 6,0 min. Die Vorbereitungs- und Aufwachphase konnten wir nicht systematisch erfassen.
Es wurden Häufigkeitsverteilungen, Lage- und Streuungsparameter deskriptiv ermittelt. Der Chi-Quadrat-Test und der exakte Test nach Fisher wurden für die Abhängigkeitsberechnung bei zwei oder mehr nominalen Parametern verwendet. Zum Vergleich der beiden Gruppen wurde bei unverbunden Stichproben und normalverteilten Daten der T‑Test und bei nicht normalverteilten Daten der Mann-Whitney-U-Test genutzt. Dazu wurde bei jedem Parameter eine Differenz des Wertes zwischen Nacht 1 und Nacht 2 gebildet und diese Differenz zwischen beiden Gruppen auf Signifikanz überprüft. Das Signifikanzniveau wurde mit p < 0,05 festgelegt.
ErgebnisseDie SG und KG unterschieden sich nicht signifikant voneinander in ihren anthropometrischen Daten (Tab. 2). In der SG bekamen 16 Patienten Midazolam und 37 Patienten Propofol bei einer Untersuchungsdauer von 16,0 ± 6,06 min. Zwischen MISE und Beginn von Nacht 2 lagen 618 ± 90,7 min (Spanne 397–802 min).
Tab. 2 Deskriptive anthropometrische KenngrößenBeim Vergleich der Differenz zwischen erster und zweiter Messung unterschied sich der primäre Zielparameter AHI nicht signifikant. In der SG mit vorheriger MISE zeigten die Werte für AHI, obstruktiven Apnoe-Index und Entsättigungsindex im Mittel und Median jedoch eine größere Abnahme; Entsättigungen und obstruktive Apnoen gingen signifikant stärker zurück als in der KG (Tab. 3).
Tab. 3 Vergleich von kardiorespiratorischen Parametern im GesamtkollektivUm Fehler durch unterschiedliche Untersucher zu eliminieren, wurde das Subkollektiv analysiert, welches beide Untersuchungen in domo hatte. Hier fand sich nun auch für den AHI eine signifikant größere Abnahme als in der KG (Tab. 4). Die Berechnung der Effektstärke zeigte mit r = 0,26 nach Einteilung von Cohen (1992) [12] einen schwachen Effekt.
Tab. 4 Vergleich von kardiorespiratorischen Parametern bei den Patienten, welche beide Messungen in domo erhalten hattenUm darüber hinaus Fehler durch die Mischung von sowohl polygraphisch als auch polysomnographisch erhobenen Daten in Nacht 1 zu eliminieren, wurden nur die Paare analysiert, bei denen beide Messungen polysomnographisch in domo erfolgten. Auch hier zeigte sich für den primären Zielparameter AHI ein signifikanter Unterschied (p = 0,03) zwischen beiden Gruppen. Während in der SG (n = 28) der AHI in Nacht 2 abnahm (MW −4,83 ± 17,4/h; Median −5,8/h), stieg er in der KG (n = 26) an (MW 4,25 ± 12,5/h; Median 4,8/h). Die Effektstärke nach [12] war mit r = 0,29 gering.
Die Zeit in Rückenlage ging in der KG mit −28,5 ± 108,12 min stärker zurück als in der SG mit −1,8 ± 109,66 min (p > 0,05).
Zudem zeigt sich, dass es bei ca. 43 % zu keiner Änderung des Schweregrads kommt. Während in der KG je ca. 30 % in einen höheren bzw. niedrigeren Schweregrad wechselten, mussten in der SG ca. 15 % in einen höheren und ca. 40 % in einen niedrigeren Schweregrad eingeteilt werden (Abb. 1).
Abb. 1Veränderung des Schweregrads der obstruktiven Schlafapnoe (n = 111)
Comments (0)